Tool-Tip Nr. 8: Notationsprogramme - Guitar Pro, MuseScore, Finale & Co.

Wenn man im Umgang mit Musiknoten i.a. mit einem Computerprogramm arbeitet, ist es einem nur schwer vorstellbar, wie andere Musiker überhaupt noch ohne ein solches auskommen können. Das ist zunächst einmal ungefähr das gleiche als würde man einen Aufsatz heutzutage noch mit der Hand schreiben anstatt mit Word oder eine Kapitalbedarfsplanung maximal mit einem Taschenrechner erstellen anstatt mit Excel. Es käme doch niemand mehr auf eine solche Idee, denn mittlerweile sind jedem die allgemeinen Vorteile der Elektronischen Datenverarbeitung (platzsparende Speicherbarkeit, effiziente Editierbarkeit usw.) glasklar.

Im Falle von Notationsprogrammen scheint sich eine solche Erkenntnis allerdings noch nicht so recht in der Breite durchgesetzt zu haben.

Die grundlegende Hemmschwelle der Auseinandersetzung mit Notationsprogrammen

Am Geld kann es aber nicht liegen, denn gute Notationsprogramme sind sogar kostenlos oder aber zumindest sehr niedripreisig erhältlich.

Vermutlich ist die Ursache also - wie es gut zwei Jahrzehnte zuvor auch bei Word und Excel der Fall war - darin zu suchen, dass das Erlernen des Umgangs mit solchen Programmen eine gewisse Hemmschwelle darstellt und zugleich der Nutzen dieser Programme - fast schon mutwillig, um sich noch eine Weile vor dem Erlernen "drücken zu können" - unterschätzt wird.

Was den Aufwand des Einarbeitens angeht: Diese Programme sind - und zwar selbst ohne eigentliche Notenkenntnisse - üblicherweise nicht schwer zu erlernen, und zudem findet man in Zeiten von Google und Youtube etc. im Netz doch eigentlich reichhaltuig Beginner-Tutorials und darüber hinaus auch weitergehende Hilfestellungen jeder Art. Hier dürfte das Problem also auch nicht wirklich liegen.

Somit bleibt also letztlich noch die Unterschätzung des Nutzens als grundlegender Hemmschuh einer breiten Verwendung von Notationsprogrammen.

Der Nutzen liegt allerdings bei Notationsprogrammen nicht nur in den allgemeinen Vorteilen der EDV (effiziente Editierbarkeit usw.), sondern geht noch weit darüber hinaus - und eröffnet damit quasi ein ganz anderes Universum des Erlernens von Songs.

Die ganz besonderen Möglichkeiten von Notationsprogrammen

Ganz konkret bieten unterschiedliche Notationsprogramme zwar auch unterschiedliche Features, aber im allgemein kann man doch sagen, dass sie alle mehr oder weniger folgendes ermöglichen:
  • Musiknoten ohne Gekritzel aufschreiben und speichern und jederzeit beliebig verändern sowie ausdrucken
  • Musiknoten z.B. aus Midi-Files für alle im Song enthaltenen Instrumente importieren (und Midi-Files sind heutzutage für extrem viele Songs als nahzu exakte Transkriptionen sehr kostengünstig erhältlich; dazu aber später einmal in einem eigenen Blog-Beitrag)
  • Musiknoten auf verschiedene Weise übersichtlich darstellen: als klassische Noten nur für das eigene Instrument, als Partitur, als Tabs und nicht zuletzt auch akkustisch (= sich je nach Wunsch nur die Noten des eigenen Instruments oder aber auch alle Noten vom Programm vorspielen lassen)
  • Musiknoten in andere Programme exportieren, um sie dort insb. noch übersichtlicher darstellen zu lassen (z.B. für Saiteninstrumente nach Rocksmith exportieren oder für Tasteninstrumente - und durchaus auch für weitere Instrumente - nach Synthesia exportieren) 
  • Musiknoten - auf Wunsch auch nur für einzelne Instrumente - in Audiodateien umwandeln, die man dann auf dem Mp3-Player jederzeit anhören kann (z.B. den isolierten Saxophon-Part vor der Probe nochmal kurz anhören).
Das ist zwar noch längst nicht alles (da wären z.B. noch Noteneingabe per Midi-Instrument, angebundene Sound-Datenbanken und einiges mehr), aber die genannten Features sollten soweit doch schon mal insgesamt überzeugt haben, so dass weitere grundlegende Möglichkeiten dann ja von jedem selbst erkundet werden können,

Welche konkreten Notiationsprogramme sind besonders empfehlenswert?

Zunächst einmal: Manche Notationsprogramme kommen quasi ursprünglich aus der Ecke eines spezifischen Instruments, haben sich aber i.d.R. von dort aus zu einem mittlerweile alle Instrumente abdeckenden Programm entwickelt. Daher sollte man sich also i.a. nicht besonders vom Namen der Software beeinflussen lassen, falls dieser einen bestimmten Instrumentennamen o.ä. enthält und Euch die Software daher für Euer spezifisches anderslautendes Instrument auf den ersten Blick nicht geeignet erscheinen mag.

Ok - und weiter? - Nun, insgesamt konkurrieren eine ganze Reihe von Notationsprogrammen miteinander (Finale, Guitar Pro, MuseScore, Tux Guitar und einige mehr), von denen viele kostengünstig erhältlich und zugleich auch gut genug sind, als dass man mit ihnen erst einmal nicht viel falsch machen kann.

Die funktionalen Unterschiede zwischen diesen Programmen sind teilweise wirklich nur marginal und können sich mit einer neuen Version eines bestimmten Programms auch schnell wieder in Luft aufgelöst haben. Und: Wenn man mit der elektronischen Notation anfängt, hat man meistens auch noch gar nicht so konkrete Bedarfe, dass diese Unterschiede zum Tragen kämen. Allenfalls ist man später ein wenig träge, bei Entstehung eines spezielleren Bedarfs zu einem dafür dann evtl. noch geeigneteren anderen Programm zu wechseln bzw. seine vertraute Software dann um ein weiteres Programm zu ergänzen.

Aber wie auch immer - im folgenden werden nun noch kurz zwei Programme etwas näher vorgestellt, welche für die Allgemeinheit doch noch einen Tick empfehlenswerter erscheinen als ihre Konkurrenten:

1. Guitar Pro

In einigen früheren Blog-Beiträgen wurde schon versprochen, dass es zu Guitar Pro noch eine nähere Fokussierung geben sollte. Dieses Versprechen wird an dieser Stelle nun endlich eingelöst.

Dass es damit so lange gedauert hat, lag in erster Linie daran, dass Guitar Pro ein Update auf die Version 7 erhalten hat und die Version 7 zunächst einmal nicht mehr uneingeschränkt zu empfehlen war. Dies hat sich nun allerdings mit der Option eines kostenlosen Updates von Version 7 auf die nachfolgend erschienene Version 7.5 erübrigt.

In dieser Version 7.5 nämlich hat Guitar Pro nun wieder um maßgebliche Features zu anderen Programmen aufgeschlossen und bietet darüber hinaus auch noch einige weitere interessante neue Features.

Diese Features hier alle ganz genau zu beschreiben würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags deutlich sprengen. Daher hier also nur ein paar Stichworte zu den Besonderheiten:
  • Für rund 70 Euro erhältlich, was sicherlich machbar sein dürfte
  • Kann für alle Instrumente (also nicht nur für Saiteninstrumente) genutzt werden
  • Direkte Kopplungsmöglichkeit mit "Go PlayAlong" (das ist ein unglaublich tolles und für alle Instrumente geeignetes Tool insb. im Zusammenhang mit der Erstellung von Transkriptionen, welches sich besonders stark an den Möglichkeiten von Guitar Pro orientiert und zu dem es ebenfalls noch einen gesonderten Blog-Beitrag geben wird)
  • Direkte Kopplungsmöglichkeit mit "Editor on Fire" (das ist ein Programm, mit dem man sich - in diesem Fall allerdings ausnahmsweise nur für Saiteninstrumentalisten relevant - seine eigenen Rocksmith-Songs erstellen kann und welches sich ebenfalls besonders stark an den Möglichkeiten von Guitar Pro orientiert; zu Rocksmith siehe auch den Tool-Tip Nr. 3 vom 22.08.2015)
  • Direkter Anschluß an den Notenshop "mySongBook" (zu mySongbook siehe auch den Tool-Tip Nr. 2 vom 02.08.2015)
  • Direktes Öffnen bzw. direkter Import von jenen bei Ultimate Guitar erhältlichen Transkriptionen, die nicht nur den Gitarren-Part, sondern oftmals auch andere bis hin zu allen Instrumenten eines Songs enthalten (= Guitar Pro Dateien sowie Power Tab Dateien; zu Ultimate Guitar siehe auch den Tool-Tip Nr. 4 vom 31.10.2015).
  • Darüber hinaus mit der Version 7.5 nunmehr endlich auch: Mp3-Export, differenzierter Midi-Import und einiges mehr 
URL: https://www.guitar-pro.com 

2. MuseScore

MuseScore ist eine Notations-Software, die kostenlos ist und natürlich alleine deswegen schon einmal einen ganz besonderen Vorteil hat. Sie ist aber auch in funktionaler Hinsicht ausgesprochen umfangreich, denn die Entwickler-Community ist relativ dynamisch und schließt dadurch meistens ziemlich schnell auf, wenn andere Programme eine neue Version herausbringen.
Darüber hinaus hat MuseScore bei einigen Features im Wettbewerb auch durchaus selbst "die Nase vorn".

Im übrigen sei noch gesondert erwähnt, dass auch MuseScore vielfältige Dateiformate im- und exportieren kann - einschließlich Guitar Pro Dateien. Es ist also i.a. nicht zwingend nötig, für den Umgang mit Guitar Pro Dateien auch die Guitar Pro Software zu besitzen, sondern mitunter ist lediglich die Handhabung von Guitar Pro Dateien in ihrem "Heimatprogramm" etwas angenehmer/bequemer/effizienter.

URL: https://musescore.org/de 

3. Fazit

Zusammenfassend lautet die Empfehlung (außer sicherlich für Profi-Musiker, die sich natürlich auch deutlich teurere Software leisten würden, die dann noch ganz spezielle "Profi-Features" umfässt):
Für rund 70 Euro Guitar Pro kaufen und damit anfangen, ganz gleich welches Instrument man spielt, und etwas später dann noch zusätzlich MuseScore kostenlos herunterladen, um letztlich die Vorteile beider Programme je nach Bedarf flexibel nutzen zu können.